Eine Fahrradtour zu den Berliner Amateurstadien

Wirklich viel gesehen habe ich von Berlin während meines dreimonatigen Praktikums nicht. Um eine Entscheidung über meinen zukünftigen Wohnsitz fällen zu können, definitiv zu wenig. Dafür musste ich mir vor allem ein besseres Bild der Fußballstadien und Vereine machen. Lediglich das Olympiastadion und die „Alte Försterei“ waren mir bekannt, doch Berlin ist eine Sportstadt. Neben den beiden Profivereinen Hertha und Union ist Berlin drei Mal in der Regionalliga Nordost und gleich fünf Mal in der Oberliga vertreten. Kein Wunder, bei der großen Anzahl an Bolzplätzen oder „Käfigen“ müssen die ganzen Talente schließlich irgendwo hin.

Also habe ich die betreffenden Stadien gesucht und mir meinen persönlichen Jakobsweg zusammengestellt. Allerdings genehmigte ich mir den Luxus, das Fahhrrad zu nehmen. Ich wollte die Stadien schließlich sehen bevor sie abgerissen werden.

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Erster Stop: Howoge-Arena „Hans-Zoschke“ in Lichtenberg. Benannt wurde das Stadion nach dem antifaschistischen Widerstandskämpfer Johannes Zoschke und die Wohnungsbaugesellschaft, welche aus Werbegründen erscheint, behielt den Namen clevererweise bei. Arena ist jedoch eine etwas überzogene Darstellung, die Meisten würden es wohl schlicht Stadion nennen. Immerhin ist das Spielfeld komplett von Tribünen umrandet, die teilweise ziemlich bewachsen sind. Bemerkenswert war eine Statur zu Ehren eines ehemaligen Spielers vor dem Eingang. Direkt neben dem Stadion sitzt außerdem das Arbeitsamt. Um „Free-Agents“ muss sich der Vereine also keine Sorgen machen.

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Howoge-Arena „Hans-Zoschke“; Verein: SV Lichtenberg 47; Liga: Oberliga; Kapazität: 10.000
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Weiter ging es in den etwas edleren Stadtteil Prenzlauer Berg. Der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark ist genau das, was er verspricht. Eine riesige Sportanlage mit mehreren Plätzen. Mit knapp 20.000 Plätzen ist das Stadion das drittgrößte in Berlin. 2015 wurde hier das Champions-League-Finale der Frauen ausgetragen und während meinem Besuch hat ein Spendenlauf stattgefunden—Turnvater Jahn hätte seine Freude gehabt. Neben dem BFC Dynamo trägt hier auch der FC Bundestag seine Spiele aus.

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Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark; Verein: BFC Dynamo; Liga: Regionalliga; Kapazität: 19.708
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Das Poststadion befindet sich in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs im Stadtteil Moabit. Der hiesige Nachbar ist eine riesige Polizeistation. Klettern fiel also aus, denn das Stadion wirkte zunächst verschlossen. Nach einer Umrundung konnte ich doch noch eine offene Tür entdecken. Das Stadion verfügt nur über eine wirkliche Tribüne, trotzdem ist der Heimatverein Berliner AK für den 4:0-Sieg gegen Hoffenheim im DFB-Pokal 2012 nicht in ein anderes Stadion ausgewichen. Die anderen Ränge sind ziemlich zugewachsen und auf dem Platz stehen Fieldgoal stangen. Bis zum Saisonstart ist noch einiges zu tun.

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Poststadion; Verein: Berliner AK; Liga: Regionalliga; Kapazität: 10.000
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Die Charlottenburger Hertha spielt auf einem Sportplatz. Der Platz war offen, allerdings musste ich durch eine Schule. Macht das mal mittags um 14 Uhr. Erwachsene, die dort nicht eines ihrer Kinder abholen, wirken sofort wie Pädophile oder Drogendealer. Die Tatsache, dass ich ein Foto machen musste, machte meine Lage nicht gerade besser. Also versuchte ich mich möglichst unauffällig zu verhalten und verzichtete auf einen Sticker. Doch auch so bemerkten mich einige Kinder und fragten, ob ich Pokemon Go spiele—eigentlich gar keine schlechte Ausrede.

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Sportplatz an der Brahestraße; Verein: CFC Hertha 06; Liga: Oberliga; Kapazität: 1.500

Das nächste Stadion war das Mommsenstadion von TeBe Berlin. Der Verein verfügt über eine ereignisreiche Vergangenheit und spielte immerhin zwei Jahre in der Bundesliga. Nach einer Insolvenz im Jahre 2000 musste man sich langsam zurückkämpfen. Heute ist der Verein vor allem vor seine offene Fankultur bekannt. Das Stadion steht, genau wie das Poststadtion, unter Denkmalschutz und so sieht es auch aus. Fußballromantikern geht das Herz auf, ich persönlich kann mich mit Laufbahnen nicht so wirklich anfreunden.

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Mommsenstadion; Verein: TeBe Berlin; Liga: Oberliga; Kapazität: 14.700
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Zu Hertha Zehlendorf ging es durch den Grunewald, für Naturfreunde vielleicht die schönste Strecke. Der Hauptplatz befindet sich auf einer großen Anlage mit weiteren Fußball- und Hockeyfeldern. Insgesamt war es die vielleicht modernste Sportanlage der heutigen Tour.

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Ernst-Reuter-Sportfeld; Verein: FC Hertha 03 Zehlendorf; Liga: Oberliga; Kapazität: 5.000
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Viktoria Berlin spielt ebenfalls auf einer großen Anlage mit mehreren Fußballfeldern. Mit der blauen Aschenbahn bringen sie etwas Hertha-Flow rein, schließlich tragen sie den Titel Ausnahmsweise mal nicht im Vereinsnamen. Außerdem ist das Stadion in direkter Nähe zum Teltow Kanal. Im Sommer kann man hier definitiv schöne Stunden verbringen—unabhängig vom Ergebnis.

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Stadion Lichterfelde; Verein: FC Viktoria 1889 Berlin; Liga: Regionalliga; Kapazität: 4.300
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Auf dem Weg kam ich zufälligerweise beim Platz von BFC Preußen vorbei. Die Mannschaft ist aktueller Sieger des Berlin-Pokals und spielt im DFB-Pokal gegen den 1. FC Köln. Noch ist unklar, wo das Spiel stattfindet. Am Rasen wird es nicht scheitern, denn der macht außnahmsweise einen exzellenten Eindruck.

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Preußenstadion Malteserstraße; Verein: Berliner FC Preussen 1894 ; Liga: Berlin-Liga; Kapazität: 7.000

Die letzte Strecke war auch gleichzeitig die weiteste. Altglienicke liegt in Treptow-Köpenick, den Ausläufern Berlins und das merkt man. Baumärkte und Autowaschanlagen säumen die Straßen und neben dem Sportplatz befindet sich ein obligatorisches griechisches Restaurant. Allerdings steuerte ich zunächst den falschen Platz an. Im Internet waren zwei Spielstätten für die VSG Altglienicke angegeben, der erste schien ein Ausweichplatz zu sein. Jedenfalls trug die Beschilderung die Initialen von SV Berlin-Chemie Adlershof. Also noch einmal auf’s Rad, die paar Kilometer machen jetzt auch keinen Unterschied mehr. Das einladende Schild „Sportcasiono Altglienicke“ bewies, hier bin ich richtig. Auf ein Foto vom Platz müsst ihr leider verzichten, denn ich hatte mein Tageslimit in Sachen „creepy Pics von spielenden Kindern“ schon erreicht.
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Oben: Fritz-Lesch-Sportplatz; Unten: Stadion Altglienicke; Verein: VSG Altglienicke 1949; Liga: Oberliga
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Fazit: Ich habe Berlin und seine Stadien zwar lange noch nicht durchgespielt, aber trotzdem viel gesehen. Bonzenwohnungen in „P-Berg“, den komplett zugetaggten Wohnblock aus dem Adrenalin-Video von Kontra K, ein Spaceship-ähnliches Gebäude auf dem Messegelände, den Grunewald und natürlich haufenweise Dönerbuden. Die Berliner Amateurstadien haben den typischen Amateurcharme—Flutlichtmaßten, verwachsene Tribünen und rostige Eingangstore. Vor allem bei TeBe und dem Berliner AK hat man das Gefühl, die Zeit ist seit ihrem Bau stehengeblieben. Anderen sieht man die sportlichen Ambitionen gar nicht an. Wirkliche Begeisterung konnten die leeren Stadien jedoch nicht auslösen. Ich hatte bei den ganzen Aschenbahnen und teilweise riesigen Anlagen den Eindruck Bundesjugendspiele stehen in der Prioritätenliste noch vor dem Fußball. Außerdem fehlten Fahnen und Farbe an den Stadien. Welcher Verein in den Stadien beheimatet ist, hat man—übertrieben gesagt—erst am Blick auf den Briefkasten erkannt. Die größte Lust auf einen Spielbesuch weckte das erste Stadion in Lichtenberg mit seinen engen, bewachsenen Tribünen und der Vereinslegenden-Statur. Bleibt die Frage: Wann beginnt denn eigentlich die Oberliga-Saison?

Mirkchief

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