Investoren im Fußball: Heilsbringer oder Heuschrecken?

In der Premier League ist es völlig normal, dass die Vereine Kapitalgesellschaften oder Privatpersonen gehören. Auch in der Bundesliga findet diese Praxis immer mehr Anklang. Als Vorbild für den Einstieg von Investoren wird oft die Beteiligung von Adidas und Audi, sowie jüngst Allianz (für 110 Millionen Euro) genannt, die jeweils 8,33 % der Anteile an der FC Bayern München AG halten. Neben dem FC Bayern veräußerte Hertha BSC Anteile an KKR, eine New Yorker Private Equity Firma, die Franz Müntefering einmal die „Mutter aller Heuschrecken“ nannte. Fakt ist jedenfalls, dass KKR nicht aus reiner Großzügigkeit in die Hertha investiert.

Vereine versprechen sich durch Investoren zusätzliche Einnahmen und bessere Wettbewerbsmöglichkeiten. Ähnlich wie beim Trikotsponsoring oder den Namingrights für Stadien wird der Anreiz, Finanzmittel durch Investoren zu generieren größer, je mehr andere Vereine diesen Weg gehen. Schließlich möchte man den investorengeprägten Vereinen keinen Wettbewerbsvorteil ermöglichen. Viele Vereine der Bundesliga versuchen derzeit, zusätzliche Gelder durch Investoren zu akquirieren. Der VfB Stuttgart ist an einer Ausgliederung der Profiabteilung interessiert, um Investoren und 80 Millionen Euro ins Boot zu holen. Der HSV gliederte vor der Saison 14/15 seine Profiabteilung aus, um den Verein für Investoren zu öffnen. Auch bei Eintracht Frankfurt wird immer wieder von Finanzspritzen für die Profimannschaft gesprochen. Vorstandsmitglied Axel Hellmann hat eine klare Meinung, wie man diese generieren sollte: “ … das funktioniert nur durch eine Kapitalaufnahme.“

Während aktuell nur über Beteiligungen geredet wird, so kann es in Zukunft auch zur Übernahme eines ganzen Vereins kommen. Seit der Klage von Martin Kind wurde der Stichtag 1.1.1999 aus der 50+1 Klausel gestrichen. Vor dieser Klage war es nur Unternehmen, die einen Club bereits vor dem Stichtag 20 Jahre gefördert hatten, vorbehalten mehr als 50% der Anteile zu erwerben. Jetzt ist es für alle Investoren, Sponsoren oder Mäzene, die einen Verein mehr als 20 Jahre finanziell unterstützt haben, möglich, die Mehrheit an einem Verein zu übernehmen. Kind könnte somit ab 2017 bei Hannover 96 die Anteilsmehrheit übernehmen. Damit scheint auch der Schritt zu einer Änderung von Vereinswappen oder -farben nicht mehr weit entfernt, Kind Hörgeräte ist schließlich traditionell blau-weiß. Auch der Umzug einer Mannschaft wäre nicht mehr auszuschließen.

All diese Änderungen hat es schon gegeben. In England änderte Investor Vincent Tan die Vereinsfarben seines Clubs Cardiff City von blau in rot und überarbeitet sogar das Vereinswappen. Erst kürzlich beugte er sich den anhaltenden Protesten und ließ die Mannschaft bei Heimspielen in den blauen Auswärtstrikots auflaufen. Zur neuen Saison ist das Heimtrikot wieder offiziell blau und auch das Logo ziert wieder den berühmten „Bluebird“. Assem Allam, Eigentümer von „Hull City AFC“,  änderte den Namen seines Clubs in „Hull City Tigers“, weil er sich dadurch eine bessere Vermarktung versprach. In Leipzig wurde das ganze Programm durchgezogen. Vereinsfarben, -Wappen und Spielort wurden geändert, als Red Bull 2009 das Spielrecht von SSV Markranstädt übernahm und RasenBallsport gründete. In den USA gehören Umzüge und Namensänderungen durch das Franchisesystem zum Alltag. Dort wird das ganze bis ans Absurdum geführt. Die allseits bekannten Los Angeles Lakers haben ihren Namen beispielsweise von den Minneapolis Lakers. Minneapolis liegt im Bundesstaat Minnesota, im Volksmund „Land der 10.000 Seen“ genannt. Über die Sinnhaftigkeit des Namens im staubtrockenen LA lässt sich streiten.

Neben den willkürlichen Änderungen von Traditionen ist häufig auch ein Anstieg der Eintrittspreise die Folge eines Investoreneinstiegs, Beispiel England. In London sind die Preise für die günstigsten Arsenal-Tickets in den letzten 20 Jahren um 920 Prozent gestiegen, für eine Dauerkarte zahlt man heute mindestens 1000 Pfund. Wozu ein Missachten der Faninteressen letztendlich führen kann, zeigte sich vergangene Saison in Hannover. Präsident und Anteilseigner Martin Kind war bei den Fans noch nie beliebt, die Gründe dürften auf der Hand liegen. Zum einen beweist er immer wieder großes Verständnis für die Wünsche der Fans, wie ein Interview der „Zeit“ zeigt:

ZEIT ONLINE: Wenn ein Fußballfan Sie beim nächsten Stadionbesuch fragt, was sich durch das Schiedsgerichtsurteil zur 50+1-Regel im deutschen Fußball ändert, antworten Sie …

Kind: … gar nichts sage ich dann. Der Fan möchte, dass seine Mannschaft erfolgreich spielt und dass das Stadion seines Vereins modern ist.

ZEIT ONLINE: Mehr nicht, sind Sie sich da sicher?

Kind: Ja.

Zum anderen beschimpft Kind seine eigenen Fans auch gerne mal als „Arschlöcher“ , nachdem diese den Spieler Pogatetz für seinen Wechsel zum verhassten Rivalen Wolfsburg mit Schmähgesängen belegt hatten. Oder er setzt seine Interessen einfach durch und zwingt die Fans per Bus zum Derby nach Braunschweig anzureisen. Das brachte das Fass schließlich zum Überlaufen und die aktive Fanszene um die Ultras Hannover beschloss, die Spiele der Profimannschaft zu boykottierten. Kurz vor Ende der Saison 14/15 entschuldigte sich Martin Kind, wohl vom Abstiegsgespenst geplagt, bei den Fans. In Hamburg war die Ausgliederung der Profiabteilung der Grund für viele Fans nicht mehr ins Stadion zu gehen. Die Ultragruppe Chosen Few kündigte nach der Ausgliederung ebenfalls an, die Spiele der Profis nicht mehr zu besuchen und löste sich am 31. Mai 2015 endgültig auf. Außerdem gründeten einige HSV-Fans mit dem HFC Falke einen eigenen Verein, der seit dieser Saison erstmals am Spielbetrieb teilnimmt. Die Idee stammt vom FC United of Manchester, einem Fanverein von enttäuschten United-Fans, über den Einstieg der Glazer Familie.

Fans lehnen die Beteiligungen von externen Unternehmen mehrheitlich ab, denn neben dem möglichen Verfall von Traditionen und exorbitant steigenden Ticketpreisen gibt es noch weitere Gründe, die dagegen sprechen. Auch ohne die wahren Motive der Investoren beim FC Bayern zu kennen, ist es zwingend notwendig, dass alle drei Unternehmen von ihrer Beteiligung eine marktadäquate Rendite erwarten. Mit einer reinen  „Liebhaberei“ gerieten sie gegenüber ihren eigenen Aktionären in Rechtfertigungsprobleme. Diese erwartete Rendite kann laut dem HWWI in verschiedenen Formen auftreten, dazu gehören: Die Wertsteigerung des Anteils, Dividendenzahlungen und Vorteile aus der Beteiligung in anderer Form. Im Falle von Adidas könnten diese anderen Vorteile zum Beispiel darin bestehen, dass Bayern München keine Verträge mit anderen Ausrüstern abschließen dürfte, sogar wenn diese besser dotiert sind.

Spätestens nach der Fast-Absage von Klaus-Michael Kühne zum Kauf von HSV-Anteilen sollte klar sein, dass Investoren nicht aus reiner Großzügigkeit handeln, sondern immer auch ein finanzielles Interesse haben. Kühne sollte für seine in den letzten zwei Jahren zur Verfügung gestellten 25 Millionen Euro 7,6% der Anteile am HSV erhalten, dies war ihm aber zu wenig und er forderte daher eine Rückzahlung seiner Einlagen. Erst nach weiteren Gesprächen einigte er sich schließlich mit dem Verein. Letztendlich erhielt er seine geforderten Anteile für 18,75 Millionen Euro und den Rest seines Darlehens mit 4,5% Zinsen zurückgezahlt, einem Zinssatz der deutlich über dem aktuellen Marktniveau liegt.

Generell ist die positive Wirkung von Investoren umstritten. Durch neue Finanzmittel können Vereine eventuell kurzfristig erfolgreicher sein, dafür begibt sie sich aber in langfristige Abhängigkeiten, deren negative Folgen noch nicht vollständig abzuschätzen sind. Der Grund, warum sich viele Vereine dennoch gerne Investoren angeln wollen, liegt in der Schnelllebigkeit des Fußballs. Viele Manager, Trainer und auch Spieler handeln nach dem Prinzip: „Nach mir die Sintflut“. Sie wollen schnellen Erfolg. Langfristige Schäden sind irrelevant, da man wahrscheinlich längst bei einem anderen Verein tätig ist. Natürlich müssen Fußballvereine alles versuchen, um Einnahmen zu generieren. Sonst wird man im Wettbewerb, der heutzutage mehr denn je finanziell geprägt ist, abgehängt. Allerdings ist der Preis, Entscheidungsgewalten abzugeben deutlich zu hoch. Peter Rohlmann, Marketing-Spezialist im Sportbusiness, äußert sich über die Einflussnahme von Investoren wie folgt: „Wer bezweifelt, dass Geldgeber für Unruhe im Verein sorgen können, muss nur nach Hamburg schauen. Dort kommt es aktuell wieder zu Konflikten mit Klaus-Michael Kühne.“

Klubanteile werden häufig auch verkauft, um kurzfristigen Misserfolg zu korrigieren. Man versucht mit zusätzlichen Geldern eine Aufwärtsspirale zu erzeugen. Schnelles Geld soll sportlichen Erfolg bringen, der wiederum die Grundlage für zusätzliche Einnahmen ist. Diese Rechnung geht allerdings nur in den seltensten Fällen auf. Häufig wird der Absturz lediglich nach hinten verschoben und kommt dann umso heftiger. Davon kann auch Eintracht Frankfurt ein Lied singen. 1999 verkaufte sie ihre TV-Vermarktungsrechte an ISPR (später von Sportive übernommen), um die Lizenz zu retten. Die Eintracht erhielt dafür etwa 2,5 Millionen als Vergütung, sowie ein „zinsfreies“ Darlehen über 7,2 Millionen Euro. Die Insolvenz konnte zwar abgewendet werden, aber zu einem Preis, der von Fairness so weit entfernt ist, wie die Mannschaft von der Meisterschaft. Insgesamt mussten 24 Millionen Euro zurückgezahlt werden, erst vor zwei Jahren wurde die letzte Rate beglichen. 2000 veräußerte die Diva außerdem 49% der Anteile an Octagon, eine amerikanische Vermarktungsfirma. Eine langfristige strategische Partnerschaft wurde angestrebt, die bereits ein Jahr später mit dem Abstieg endete und sowohl die Stadt als auch Eintracht Frankfurt vor Probleme stellte. Bruchhagen sagt deutlich, dass er von Fremdfinanzierung, von Anleihen oder ähnlichen Modellen nichts hält: „Man stellt sich Trojanische Pferde in den Garten.“ Unter den Auswirkungen der damaligen Verträge leidet der Verein noch heute, zum Beispiel durch die höchste Stadionmiete der Liga.

Investoren bringen einem Verein zwar Geld, aber nur selten können die Finanzspritzen für den erhofften sportlichen Erfolg sorgen. Die Leidtragenden sind die Fans. Traditionen werden über den Haufen geworfen, Tickets werden teurer und die Mitsprache wird unterbunden. Der Fußball sollte allerdings keine Spielwiese für Investoren sein, sondern ein Spiel für die Fans bleiben. Bleibt die Frage, wie lange diese noch kommen, denn die meisten wollen mehr als ein modernes Stadion und eine Mannschaft, die erfolgreich spielt.

Mirkchief

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