Bereits nach 27 Sekunden konnten die Timbers durch einen Torwartfehler im MLS-Finale in Führung gehen, am Ende gewannen sie 2:1. Der Verein, dessen Maskottchen nach Toren einen Baumstamm zersägt und dessen Fans regelmäßig überwältigende Choreographien organisieren konnte sich damit den ersten Meistertitel in der Vereinsgeschichte sichern. Ich habe mir den Verein genauer angesehen und mit einem Fan über den Stellenwert von Fußball in Portland und allgemein in den USA unterhalten.
Zunächst blicken wir einmal zurück auf die Geschichte des Vereins. Die Portland Timbers verfügen, obwohl sie erst seit der Saison 2011 in der MLS spielen, über eine ungewöhnliche Fangeschichte. Den Verein gibt es seit 1975 und schon damals löste der Fußball große Begeisterung aus. Trotz Niederlage im Soccer Bowl (damals der höchste Titel) wurde Portland als „Soccer City USA“ bekannt. Jim Serrill hatte 1978 die Idee eine Kettensäge mitzubringen, als Symbol für Portlands große Holzindustrie. Kurze Zeit später entstand die Tradition nach Toren ein Scheibe aus einem Baumstamm herauszusägen, den „Victory Log“, und Timber Jim wurde zu einer Art Maskottchen. 1978 hatte der Verein einen weiteren großen Erfolg, das Erreichen des Conference Finals gegen Beckenbauers New York Cosmos. Nach weniger erfolgreichen 80er Jahren und mehreren Umstrukturierungen im Ligasystem wurde der Spielbetrieb 1990 jedoch eingestellt.
Erst 2001 wurde wieder eine neue Mannschaft angemeldet. Die Cascade Rangers, eine Art Fußballstammtisch waren von Beginn an bei den Spielen dabei. Sie sammelten sich in Block 107. Später entstand daraus die Timbers Army und 107ist, eine Fanstiftung. Mittlerweile organisieren sie Tickets und Auswärtsfahrten für Fans und Choreographien im Stadion. Auch Timber Jim ging wieder zu den Spielen und sorgte für Stimmung. Als im Jahre 2004 seine Tochter bei einem Autounfall ums Leben kam sang die gesamte Fankurve „You are my Sunshine“ für Jim und seine Tochter. Das Lied wurde eine Art Tradition und wird heute weiterhin gesungen. 2008 wurde Timber Jim aus altergründen von Timber Joey ersetzt, aber Jim kommt immer noch zu den Spielen. Die Timbers Army organisiert außerdem häufig beeindruckende Choreographien, zuletzt im Conference Final gegen Dallas.
Im Gegensatz zu diesen Bildern, hält sich die allgemeine Fußballbegeisterung in den USA wahrlich in Grenzen. In einer Studie landet Fußball 2014 trotz der WM nur auf Platz 8 der beliebtesten Sportarten. In Portland ist die Fußballbegeisterung größer, was auch daran liegt, dass es kein Team im American Football, dem Volkssport Nummer 1 gibt. In südlichen Städten wie Los Angeles ist, durch die größere Anzahl an südamerikanischen Einwanderern, ein erhöhtes Fußballinteresse ebenso wahrzunehmen. Der Fußball wird jedoch in den USA ganz anders behandelt, was sofort sichtbar wird wenn man sich eine Zusammenfassung des Finales ansieht. Die ist nicht chronologisch, sondern nach unterschiedlichen Szenen aufgebaut. Außerdem wurde der Siegerpokal nicht wie üblich an den Mannschaftskapitän übergeben, sondern an den Besitzer des Vereins. Generell besuchen Fußballspiele viele der oberen Mittelschicht. Tickets sind nicht extrem teuer, Bier schon. In Portland zahlt man etwa 10 Dollar. Daher treffen sich die Fans schon lange vor dem Spiel in den Bars in direkter Stadionnähe um sich einzustimmen.
Dort verfolgte auch die Mehrheit der Fans das MLS-Finale. Das fand im 4000km entfernten Columbus statt, da die Mannschaft in der regulären Saison besser abgeschnitten hat und deshalb Heimrecht hatte. Trotzdem waren etliche Timbers vor Ort, was unter anderem an einem von Sponsor Alaska Airlines organisierten Charterflug lag. Auch wenn die Auswärtsfahrer wohl mehrheitlich Besserverdiener waren, ändert das nichts an ihrer Begeisterungsfähigkeit. Diese wird besonders deutlich wenn man sich den Empfang der Mannschaft am Flughafen oder die Victory Parade ansieht. Die Fans kamen zahlreich, obwohl die halbe Stadt wegen starker Regenfälle überschwemmt ist.
Das Fußballinteresse wächst in den USA relativ langsam. Diejenigen, die sich für Fußball interessieren machen es aber mit Leidenschaft. Einige Vereine haben organisierte Fangruppen und Choreographien im Stadion, die selbst in Europa für Bewunderung sorgen würden. Mit Portland gewinnt eine Außenseitermannschaft mit einer starken Fankultur die Meisterschaft. Ob der Sieg die Entwicklung von Fußball in den gesamten Vereinigten Staaten beschleunigen kann, wird sich zeigen.
Mirkchief
Wer mehr über die Timbers Army und deren Choreographien sehen möchte, dem sind diese kurzen Dokus zu empfehlen:
An Inside Look at the Portland Timbers Army
Battle of Cascadia – Portland Timbers vs Seattle Sounders | Derby Days