„Und nach einer ganz kurzen Werbeunterbrechung geht es weiter.“ Diesen Satz bekommt der Fernsehzuschauer bei den Länderspielen der deutschen Fußballnationalmannschaft nicht selten zu hören. Keine Frage, seit RTL die Rechte hat für die Qualifikationsspiele von Welt- und Europameisterschaften hat, wurde das Fernseherlebnis nicht unbedingt verbessert. Ob es jetzt an den häufig kritisierten Experten liegt, an der Vielzahl der Werbeunterbrechungen oder schlicht und einfach am fehlenden HD-Bild, kann jeder für sich entscheiden.
Ich war allerdings schon vorher kein Fan von der Nationalmannschaft. Erfolglosigkeit kann dafür definitiv nicht ausschlagend sein, wenn man mal auf andere Nationen, wie England oder die Niederlande schaut. Klar, als Eintracht-Fan fehlen vielleicht Spieler mit Identifikationspotenzial, aber hauptsächlich mag ich die Nationalmannschaft nicht wegen ihres Event-Publikums. Die Stimmung bei Länderspielpausen ist absolut mau, bis die Mannschaft irgendwann 3:0 führt und eine Handvoll Betrunkener „Mexico“-Gesänge intoniert.
So sind Länderspiele für mich ein Graus und damit bin ich nicht der Einzige. In Deutschland sind die Rollen klar verteilt: Fußball-Fan kann man nur vom Verein sein; die Nationalmannschaft schaut man sich nur an, um am nächsten Tag im Büro neben dem Wetter ein zweites Small-Talk-Thema zu haben. Doch wie ist das eigentlich im Rest von Fußball-Europa? Wir haben uns umgehört.
Tom, England:
Auf das Länderspiel am Freitag freue ich mich riesig. Es geht in der WM-Quali gegen Schottland—ein ganz brisantes Spiel, im Prinzip das älteste Derby. Außerdem entscheidet sich nächste Woche, wer unser neuer Trainer wird, also ob Gareth Southgate eine Dauerlösung werden kann.
Als Engländer ist es absolut unmöglich, kein Fan von der Nationalmannschaft zu sein. Unser Nationalstolz ist enorm, obwohl wir sportlich arg gebeutelt sind. Manchmal frage ich mich, wie das Land bei den Turnieren trotzdem jedes Mal so euphorisch sein kann.
Ein bisschen nervig ist es schon, dass keine Premier League läuft. Ich bin schon mein ganzes Leben United-Fan und wohne jetzt auch in Manchester. Ursprünglich komme ich aus Reading und unterstütze die Mannschaft natürlich auch. Ich war schon bei mehr als 200 Spielen, auch bei unserem ersten Aufstieg in die Premier League 2006. Generell finde ich die Atmosphäre bei Ligaspielen besser. Für das Spiel gegen Schottland verzichte ich aber gerne auf den Ligaalltag.
Schlimm finde ich nur die etlichen Freundschaftsspiele, die sind absolut unnötig. Selbst das 3:2 gegen Deutschland bringt nichts, wenn man bei der EM gegen Island rausfliegt. Ich würde es besser finden, wenn es wenige, längere Länderspielpause gäbe. Jeweils für 3-4 Spiele am Stück, zum Beispiel im November und im Januar, so könnten sich die Mannschaften besser einspielen. Vielleicht würde England dann endlich mal besser abschneiden.
Matthieu, Frankreich:
Obwohl wir eine überraschend gute EM gespielt haben, bin ich nicht mehr der große Fan von der Nationalmannschaft. Meine Zeiten waren 1998-2000, mit Zidane, Trezeguet und Henry. Damals hatte Frankreich eine klasse Mannschaft und hat guten Fußball gespielt.
Die letzten Jahre waren die Franzosen nicht wirklich interessiert, vielleicht haben die guten EM-Spiele das jetzt wieder ein wenig geändert. Die Stimmung im Land war jedenfalls gut—die Meisten haben es verfolgt, in Bars oder beim Public Viewing.
Mein Fokus gilt aber meinem Verein. Ich bin Fan von den Angers und gehe zu jedem Spiel. Wenn Länderspiele sind warte ich im Prinzip nur darauf, dass die Liga weiter geht. Die Ligaspiele sind bei uns richtige Familienereignisse. Zu den Spielen gehe ich mit meinem Vater und meinen Brüdern. Das ist so seit ich jung war und hat sich nicht groß verändert. Meistens kommen auch noch Freunde mit. Fußball ist kein Ereignis, das man alleine erleben möchte.
Ich habe eine Dauerkarte und gehe zu jedem Spiel. Wenn ich jedoch ein Angers-Spiel verpasse, mache ich mir Vorwürfe und bin die ganze Woche schlecht gelaunt. Bei der Nationalmannschaft ist das ganz anders. Natürlich verfolge ich auch was bei dort passiert, aber wenn ich mal ein Spiel verpasse, macht mir das überhaupt nichts aus. Ich würde auch nicht viel Geld bezahlen, um ein Spiel zu sehen. Während der EM habe ich mich nur für zufällige Tickets beworben, die Spiele von Frankreich waren einfach zu teuer.
Jorge, Spanien:
Wenn ich nichts zu tun habe, werde ich mir das Länderspiel ansehen, aber es interessiert mich nicht wirklich. Das Gute ist, dass mein Verein am Wochenende trotzdem spielt. Der RCD Mallorca ist mittlerweile Zweitligist und die haben keine Pause.
Die meisten Fußballfans in Spanien sehen das ähnlich. Sie konzentrieren sich auf ihre Lieblingsvereine, Länderspiele werden nicht wirklich ernst genommen. Außer natürlich ein großes Turnier steht an, dann machen die Spanier alles, um die Spiele zu sehen. Man verabredet sich, um gemeinsam zu schauen und wenn man Termine hat, verlegt man sie auf jeden Fall.
Einmal habe ich ein Spiel von Spanien im Stadion gesehen. Ich komme von Mallorca, dort ist die Nationalmannschaft selten zu Gast. Die Atmosphäre war wirklich gut. Obwohl es geregnet hat, war das Stadion komplett ausverkauft. Das ist in Spanien nicht der Regelfall.
Wirklich Fan bin ich im Prinzip nur von meinem Verein. Es ist auch schwer Fan von der Nationalmannschaft zu werden. Erstens spielen sie viel seltener und zweitens werden die Mannschaften ständig verändert. Gut, in den Vereinen wird auch häufig gewechselt, aber die haben dann wenigstens im Laufe der Saison eine Stammelf. Die Länderspielpausen sind einfach Mist, sowohl für die Spieler als auch die Fans.
Sven, Niederlande:
Ich bin aus einem einfachen Grund kein Fan von der Nationalmannschaft. Bei Länderspielen muss ich immer die ganzen Ajax-Spieler sehen. Mein Verein ist Feyenoord und der stellt in der Regel maximal zwei bis drei Spieler ab, Ajax macht traditionell den Großteil der Nationalmannschaft aus.
Außerdem sind Länderspiele in meinen Augen auch eine Art Wettbewerbsverzerrung. Zwar kommen alle Mannschaften aus dem Spielfluss, aber Mannschaften, die keine oder wenig Nationalspieler stellen, trifft es besonders. Ihre Spieler können nämlich keine Spielpraxis sammeln, die Topspieler hingegen schon.
Atmosphärisch würde ich aber nicht sagen, dass es einen großen Unterschied zwischen der Nationalmannschaft und Vereinsfußball gibt. Ich kann zumindest nicht sagen, was ich besser finde. Feyenoord hat eine großartige Fankultur, aber auch bei den Länderspielen ist immer viel los. Es kommt auch auf den Gegner an. Man kann in beiden Fällen genauso langweilige Spiele haben.
Im Moment ist das Interesse an der Nationalmannschaft wahrscheinlich auf Rekord-Negativ-Niveau. Das Land war extrem enttäuscht, dass wir uns nicht für die Europameisterschaft qualifiziert haben, obwohl dieses Mal sogar 24 Mannschaften dabei waren. Da waren so viele Mannschaften, die weit unter unserem Niveau sind. Selbst Island, die eine überragende EM gespielt haben, sollten wir in Normalform schlagen. Das ist extrem bitter.
Ekrem, Türkei
Ich wusste bis jetzt gar nichts von der Länderspielpause, gucke die türkischen Länderspiele aber gerne. Die sind wirklich spannend. Die Spiele der Deutschen sind langweilig, weil Sie immer gewinnen. Meistens gucke ich die Länderspiele aber trotzdem. Während den Turnieren gehe ich sogar manchmal zum Public Viewing; viele meiner Freunde sind schließlich große Deutschland-Fans. Für mich sind die Spiele der Türkei aber wichtiger. Die gucke ich immer alleine zuhause und kapsele mich komplett von der Außenwelt ab. Das ist für mich wie eine persönliche Challenge, die ich durchstehen muss.
Allgemein haben die Türken einen großen Nationalstolz, der sich natürlich auch im Fußball wiederspiegelt. Ich kann mich wirklich gut mit der Nationalmannschaft identifizieren. Vor allem, weil man als Kind in Deutschland von klein auf gesagt bekommt, dass Deutschland die bessere Mannschaft hat. Deswegen habe ich schon früh angefangen, mich noch mehr mit der Türkischen Mannschaft zu identifizieren.
Verglichen mit der Nationalmannschaft verfolge ich die türkische Liga recht sporadisch. Früher habe ich regelmäßig die Spiele von Galatasaray geschaut; heute reicht es mir, wenn ich irgendwo die Ergebnisse sehe. Durch den Wettskandal habe ich ein bisschen die Lust am Vereinsfußball verloren. Der Fußball in der Türkei war sehr korrupt und es wurde nie etwas aufgeklärt. Die Verantwortlichen hätten bestraft werden müssen und die Vereine hätten Punktabzüge und Zwangsabstiege bekommen sollen—so wie damals in Italien.
Mattia, Italien:
Ich finde Länderspiele klasse, weil das ganze Land geschlossen hinter der Mannschaft steht. Die Identifikation mit der Nationalmannschaft ist in Italien traditionell groß. Natürlich besonders, wenn Welt- oder Europameisterschaften anstehen. Italiener sind stolz auf ihre Mannschaft, aber sie sind auch kritisch, wenn es mal nicht so gut läuft.
Während der Saison liegt der Fokus in Italien aber auf den Vereinen. Bei Länderspielpausen herrscht ein bisschen Tristesse und Fußballfans warten, dass die Liga wieder losgeht. Zum Glück gibt es die nicht so häufig. Während den Turnieren ist es anders. Überall herrscht große Euphorie. Da vergessen die Meisten für kurze Zeit sogar mal den Vereinsfußball.
Die Stimmung bei Länderspielen ist in Italien auch immer gut, einmal war ich sogar selbst dabei. Trotzdem bin ich ein größerer Fan vom Vereinsfußball. Ich komme aus Udine und bin Fan von Udinese Calcio. Früher hatte ich auch eine Dauerkarte. 2011 war ich sogar beim Auswärtsspiel gegen Arsenal im Emirates Stadion.